meine Diagnose bipolar

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn

 

Worte nur noch stolpern

Stimmen immer mehr wanken

Herzen anfangen zu holpern

Zweifel immer tiefer ranken

Hände nur noch hängen

Blicke laut klagen

Zwänge nur noch engen

Nächte schlaflos nagen

Ohren lauthals dämpfen

Seelen immer mehr schweigen

Tränen mit sich kämpfen

Ängste in einem steigen

Dann ist es höchste Zeit

für das Gespräch zu zweit

 

 

 

 

Collage
Collage

 

 

 

  

Schönheit erleben in Kunst und Natur,

 

sie lehrt mich, auch das Anders – sein zu erfassen.

 

Bin der Wahrnehmung meiner Sinne auf der Spur,

 

die mich andere Sichtweisen, Standpunkte und eine Bereicherung erfahren lassen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ich möchte niemand anderem einen

Weg vorzeichnen,

denn ich weiss,

dass mir der Weg von einer Hand

vorgeschrieben wurde,

die weit über mich hinausreicht.

 

- C.G. Jung -

 

 

 

 

 

  

 

Phantasie und Einfühlungsvermögen

sind nichts anderes

als Formen der Liebe

 

- Hermann Hesse -  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gefühle gehören zum täglichen Leben eines jeden Menschen. Doch manchmal erdrücken uns die Gefühle, der Angst, der Wut unt der Trauer. Einige Menschen schaffen es dabei gar nicht mehr aus den Gefühlen wieder auszusteigen, andere versuchen mit Gewalt dagegen anzukämpfen. Beides ist sicherlich nicht gut...

 

 

 

 


ACHTSAMKEIT



In der Psychotherapie hat die Achtsamkeit schon seit längerem Einzug gehalten. Nicht zuletzt seit Jon Kabat-Zinn mit seiner achtsamkeitsbasierten Streßreduzierung große Erfolge verzeichnet konnten, haben sich weltweit eine ganze Reihe von Psychologen mit der Achtsamkeitstechnik beschäftigt und vermitteln diese nunmehr an ihre Patienten. Die achtsame Weltsicht kann sowohl Angst, Depressions- als auch Burnout Patienten dabei helfen, den Kontakt zur Realität wieder zu erlangen und wieder in Balance zu kommen. Achtsamkeit ist das ideale Gegengift gegen die diversen negativen Gedanken und Gefühlsstrukturen, die bei derartigen psychologischen Störungen vorherrschen.

 

Über die letzten Jahre ist die Achtsamkeitslehre in der Psychologie immer wichtiger geworden. Auch bei der Behandlung von Menschen mit unheilbaren Krankheiten hat sich die Achtsamkeitsmeditation als große Hilfe für die Patienten erwiesen. Dies hat auch damit zu tun, daß die Menschen mehr und mehr Abstand von ihrem herkömmlichen Glauben nehmen und daher "weltlichen" anstatt "geistlichem" Beistand suchen. Darüber hinaus ist die Achtsamkeitslehre in den Fokus des Interesses gerückt, da immer mehr Menschen der westlichen Gesellschaft unter streßinduzierten physischen und psychischen Erkrankungen leiden. Währen die Gesellschaft den Menschen zu immer mehr Geschwindigkeit und Streß treibt, suchen viele Menschen mittlerweile die Ruhe im "Hier und Jetzt".

 

Im Rahmen der sogennanten acceptance and commitment Therapie macht man sich ebenfalls die Lehren der Achtsamkeit zu Nutze. Schließlich hat man erkannt, daß eine Vielzahl von psychsischen Erkrankungen, wie die Angst und die Depression, häufig deswegen soviel Leid und Probleme im Alltag hervorrufen, weil die meisten Menschen versuchen, ihre Angst- und Depressionsgefühle zu bekämpfen und loszuwerden, anstatt sie zu akzeptieren und "einfach" weiterzuleben. Durch die Akzeptanz werden die negativen Gedankenspiralen schwächer. Ohnehin liegt die wesentliche Wirkung der Achtsamkeit im Rahmen der ACT Therapie darin, automatische Gedanken- und Gefühlsabläufe zu unterbrechen. Bei den meisten Menschen, nicht nur bei den Angst und Depressionserkrankten, führen nämlich negative Gedankenabläufe zu einer starken Identifikation mit den Gedanken. Die meisten Menschen nehmen ihre eigenen Gedanken für bare Münze. Treten große Sorgen auf, geht man davon aus, daß auch die Wirklichkeit mit großen Problemen belastet sei. Dies ist jedoch häufig nicht richtig. Durch die Achtsamkeit kann man sich darüber bewußt werden, was man gerade denkt und fühlt. Man wird zum Beobachter der eigenen Gedanken und stoppt damit die Identifikation mit den Gedanken. Auch wenn das merkwüdig klingt aber man trennt somit das eigene Ich in einen Teil der fühlt und denkt und in einen anderen Teil, der den ersten Teil beim Denken und Fühlen beobachtet. So gewinnt man Distanz ohne Gedanken zu unterdrücken oder auszublenden. Im Englischen bezeichnet man dies als "self-monitoring".

 

Was ist Achtsamkeit / Mindfulness?

 

Achtsamkeit - in der Gegenwart leben

 

Ruhe und Frieden im Kopf durch Achtsamkeit

Achtsamkeit / Mindfulness ist eine offene, akzeptierende und gleichmütige Einstellung gegenüber allen Emotionen und Gedanken, die in der Wahrnehmung, im Bewusstsein auftreten. Hierzu zählen sowohl echte Gedanken und Überlegungen, wie auch Gefühle von Angst, Trauer, Haß, Freude, Euphorie etc. wie auch körperliche Gefühle. Achtsam handelt, wer sich voll und ganz dem zuwendet, was er gerade macht bzw. was gerade passiert, ohne die Geschehnisse oder Gedanken zu bewerten. Wirklich im Hier und Jetzt zu sein, stoppt das Affengeschnatter und reduziert somit nachhaltig den Streß. Ruhe und Gelassenheit verstärken sich. Durch das Erlernen der Achtsamkeit ohne ständige Bewertung von Gedanken und Gefühlen gewinnt man den weiten Blick auf die Dinge, kann sich aber andererseits leichter von einzelnen Themen leichter lösen, in die wir uns üblicherweise verbeißen, was zu Streß, Ängsten und Unwohlsein führt. Aus diesem Grund wird die Achtsamkeit auch mittlerweile in der Psychotherapie eingesetzt. Sie ist aber für jeden Menschen gewinnbringend einsetzbar. Achtsam sein bedeutet konkret, im Jetzt zu bleiben und den Moment umfassend zu erleben und im Idealfall zu genießen. Dadurch kreiiert man Abstand zu den Problemen, man installiert im Kopf sozusagen einen inneren Beobachter. Je mehr dieser innere Beobachter aktiv ist, desto leiser wird das Affengeschnatter und so langsamer der Gedankenstrom und man wird nicht mehr von Gedanken und Gefühlen mitgerissen. Auf diese Weise lassen sich sogar heftige Gefühle wie Panik, Angst, Wut und Agression mildern. Man sollte daher nicht gegen diese Gefühle kämpfen, sonden sie schlicht beobachten und warten bis sie vorübergehen.

Worin liegt der Unterschied zur Konzentration?

Achtsamkeit und Konzentration


Achtsamkeit ist eine offene Einstellung gegenüber der Außenwelt

Konzentration ist eher eine Verengung der Sichtweise, während die Achtsamkeit einer Verbreiterung und Öffnung des Geistes gleichkommt. Man entwickelt eine beruhigende und stabilisierende Offenheit. Ereignisse werden offen erlebt.

 

Achtsamkeit und die buddhistischen Wurzeln,


Im Buddhismus ist die Entwicklung der Achtsamkeit eines der wichtigsten Elemente. Achtsam für den Buddhisten bedeutet es, im Hier und Jetzt zu sein und sich somit aller seiner Gedanken, Gefühle und Empfindungen voll bewusst zu sein. Entscheidend ist der Aspekt, dass diese Ereignisse im Kopf nicht bewertet werden. Ansonsten verwickelt man sich wieder in Gedanken und reist aus der Gegenwart in die Vergangenheit oder Zukunft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Zusammenhang mit Glück stößt man immer wieder auf das Thema Achtsamkeit. Achtsam sein bedeutet, innere und äußere Vorgänge mit ungeteilter, entspannter Aufmerksamkeit zu beobachten und "das ganze Bild" aufnehmen. Dabei basiert Achtsamkeit auf den folgenden vier Voraussetzungen:

  • Über-Bewusstheit: Wir verlieren uns nicht in einer Tätigkeit, sondern sind uns bewusst, dass wir etwas Bestimmtes tun
  • Nicht abgelenkt sein: Unsere Wahrnehmung wird nicht beeinträchtigt durch Grübeleien, Zukunftssorgen, Gefühle oder andere Störungen
  • Neutralität: Wir beurteilen oder bewerten nicht das Wahrgenommene, auch wenn uns etwas bereits bekannt vorkommt und wir gerne auf Vorurteile oder Erfahrungen zurückgreifen möchten. Wir registrieren die Geschehnisse, ohne Gedanken oder Gefühle einzuklinken
  • Perspektivenwechsel: Wir sind uns bewusst, dass unsere Sichtweise falsch, beschränkt oder einengend sein kann, weil Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden können

Weiße Wand mit rotem StrichAchtsamkeit ist mehr als nur Konzentration: Konzentration heißt, sich auf einen Gedanken oder ein Objekt zu fokussieren, sie wird z.B. gebraucht beim Lösen von Rechenaufgaben. Achtsamkeit dagegen brauchen wir bei neuen oder kreativen Aufgaben, wenn wir also nicht auf Bekanntes beziehen können.

Achtsam sind wir nicht, wenn wir mehrere Dinge gleichzeitig oder automatisiert erledigen, wenn eingeschliffene Gewohnheiten uns steuern oder wir Lösungswege nur aus einer Quelle beziehen. Die Möglichkeit von Veränderung wird dabei ausgeblendet. "Immer wenn wir glauben, etwas schon zu wissen, sind wir nicht mehr präsent. Und wenn es wichtig wäre, präsent gewesen zu sein, leiden wir unter den Folgen", meint die Sozialpsychologin Ellen Langer.

Achtsamkeit ist auch das zentrale Thema im Zen, entwickelt im 6. Jahrhundert in China. Zen heißt, im Augenblick zu leben, ohne ihn zu beurteilen, den Geist zu beruhigen, konzentriert zu handeln, nichts erreichen zu wollen und unabhängig von allem zu sein.

Was können wir tun, um Achtsamkeit zu lernen? Ellen Langer meint dazu: "Achtsamkeit lässt sich am besten erreichen, wenn man von vornherein vermeidet, unachtsam zu sein. Um Unachtsamkeit zu vermeiden, müssen wir uns klar machen, dass die Wahrheit jeder Information von ihrem Kontext abhängt. Wenn wir also etwas wahrnehmen, sollte uns bewusst sein, dass es sich nie um eine absolute Tatsache handelt. Um achtsam zu bleiben, müssen wir einen gesunden Respekt vor Unsicherheit kultivieren. Um einer Sache achtsam zu begebnen, sollten wir aktiv und bewusst nach Unterschieden suchen. Das tun wir nicht, sobald wir glauben, ein Ding, einen Ort oder einen Menschen bereits in- und auswendig zu kennen. Die Erwartungen von etwas Neuem dagegen hält uns wachsam und achtsam."

(Quelle: u.a. Psychologie heute 7/04)


Eine Geschichte

Glücklich sein

Ein Mann wurde einmal gefragt, warum er trotz seiner vielen Beschäftigungen immer so glücklich sein könne.
Er sagte:
"Wenn ich stehe, dann stehe ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich sitze, dann sitze ich,
wenn ich esse, dann esse ich,
wenn ich liebe, dann liebe ich ..."
Dann fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten:
"Das tun wir auch, aber was machst Du darüber hinaus?"
Er sagte wiederum:
"Wenn ich stehe, dann stehe ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich ... "
Wieder sagten die Leute:
"Aber das tun wir doch auch!"
Er aber sagte zu ihnen:
"Nein -
wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon,
wenn ihr steht, dann lauft ihr schon,
wenn ihr lauft, dann seid ihr schon am Ziel."


Zitate

Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht, das notwendigste Werk ist stets die Liebe.
(Meister Eckehart)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Thema “Achtsamkeit” ist ja momentan regelrecht in Mode. Und da ist es sehr praktisch, dass es noch keine allgemein bekannte oder akzeptierte Definition davon gibt. So kann jeder, der von Achtsamkeit spricht, darunter verstehen, was gut in seine Ansichten passt. Ganz nach dem Motto: „Wenn sich jemand so verhält, wie ich meine, dass es richtig ist, dann ist es achtsam“.

Freilich wird dadurch der Achtsamkeit jegliche Bedeutung, jegliche Substanz entzogen.

 

Natürlich hat jeder ein gewisses Gefühl für dieses Wort, eine Ahnung, was es bedeuten müsse. „Auf etwas achten“ schwingt da mit, oder auch so etwas wie „vorsichtig“ sein.

Unwillkürlich erscheint da z.B. vor meinem geistigen Auge das Bild von einem safranfarben gekleideten Mönch, kahl geschoren, der anmutig, langsam und mit entweder gewichtiger oder ausdrucksloser Miene Tee in eine Porzellantasse gießt… Das ist doch Achtsamkeit, oder etwa nicht?!

Oder man hat die Vorstellung, Achtsamkeit bezeichnet einen esoterischen Zustand tiefster Versenkung, selbstverständlich mit mystischen Erfahrungen, wie geheimnisvolle Lichter und (für den profanen Geist) unverständliche Erkenntnisse…

 

Zuallererst müssen wir unterscheiden zwischen

  • Achtsamkeit
  • und den Effekten, den Auswirkungen von Achtsamkeit.

So wie wir z.B. auch unterscheiden können zwischen Musizieren und den Auswirkungen von (regelmäßigem) Musizieren: Musizieren ist erstmal eine Tätigkeit; sie kann direkte Effekte und langfristige Effekte nach sich ziehen. So fühlt man sich etwa beim Musizieren oder danach entspannt, konzentriert und wohl. Langfristiger betrachtet entwickelt sich (hoffentlich) ein gutes Gehör und ein Gespür für Rhythmus und Melodie. Wir sehen also, wenn wir vom Musizieren sprechen, müssen wir sinnvollerweise zwischen dem Akt des Musizierens und den (kurz- oder langfristigen) Auswirkungen des Musizierens unterscheiden.

So auch bei der Achtsamkeit. Achtsamkeit ist nicht die Auswirkungen von regelmäßiger Übung in Achtsamkeit, sondern der Akt des Achtsamseins.

Achtsamkeit kann Versenkung, Entspannung und Gelassenheit entstehen lassen; genügend Übung voraus gesetzt. Aber: Genau wie beim Musizieren muss man eben unterscheiden zwischen dem Tun (Musizieren bzw. Achtsam sein) und den Auswirkungen des Tuns (Gutes Gehör bzw. Gelassenheit, Versenkung etc.).

Warum ist das wichtig zu unterscheiden? Damit wir den Begriff der Achtsamkeit klären; sonst würde der Begriff Achtsamkeit alles und nichts bedeuten. Achtsamkeit ist also nicht Entspannung, Versenkung etc. – das sind die Auswirkungen, wenn man sich in Achtsamkeit übt. Achtsamkeit selber ist der Akt des Achtsamseins.

 

Damit wissen wir zwar etwas mehr, was Achtsamkeit nicht ist, aber was ist es denn jetzt?

 

Nun, Achtsamkeit heißt,

  • sich dessen bewusst zu sein, was gerade jetzt innen und außen passiert
  • und das darüber hinaus gelassen und ohne emotional in Aufruhr zu geraten, zu betrachten.

Sonst tun Sie nichts. Sie greifen nicht ein und Sie müssen nichts erreichen.

“Das ist alles?!” werden Sie jetzt vielleicht sagen. “Da hätte ich mir ja mehr erwartet! Das ist ja gänzlich unspektakulär!”

 

Tatsächlich ist Achtsamkeit per se nichts, wofür man sich jahrelang in luftige Höh(l)en des Himalayas zurückziehen muss. Achtsamkeit ist eine grundlegende Fähigkeit des menschlichen Geistes. Jeder kann es, und zu fast jeder Zeit, es sei denn, man ist nicht ganz bei klarem Bewusstsein – so nach dem dritten Bier, zum Beispiel.

“Moment”, werden jetzt spitzfindige Geister einwenden “aber, was ist denn, wenn ich nun schon in emotionaler Aufruhr bin? Das kann ich ja nicht auf Knopfdruck abschalten! Heißt das, dass ich in dem Fall einfach nicht achtsam sein kann?”

Wenn Sie in emotionaler Aufruhr sind, also zum Beispiel wütend, ärgerlich, traurig, deprimiert, ängstlich, dann betrachten Sie diesen Zustand möglichst sachlich: „Aha, da ist Wut, Ärger, Trauer, Deprimiertheit oder Angst in mir“.

Versuchen Sie, diese Aufruhr möglichst ruhig zu betrachten. Ohne einzugreifen. Schauen Sie einfach genau hin, ganz genau.

Das ist alles!

 

“Ja, aber”, werden Sie jetzt einwenden “wozu dann dieser ganzen Rummel um Achtsamkeit?! Wieso üben und meditieren dann so viele Leute, und auch so viel?”

Es stimmt zwar, dass man ohne Probleme „mal eben etwas“ achtsam sein kann, aber (und jetzt kommt der Haken) ohne Übung ist diese Achtsamkeit halt nur schwach, löchrig und kurzatmig. Man könnte sagen, gehen oder laufen kann (fast) jeder – aber nur mit Übung kann man lange Strecken oder hohe Geschwindigkeiten laufen.

Wenn Sie also über eine gute Achtsamkeit verfügen wollen, dann führt kein Weg an regelmäßigem Üben vorbei. Sie würden ja auch nicht auf den Gedanken kommen, den Boston-Marathon ohne Übung mitzulaufen.

Halten wir also fest: ein bisschen achtsam sein kann jeder, aber sehr achtsam sein, braucht viel Übung.

 

“Ja, gut”, sagen Sie jetzt vielleicht, “das habe ich verstanden, aber lohnt es sich denn überhaupt zu üben und zu trainieren? Wenn ich für Boston trainiere, dann merke ich, dass ich fit werde. Wenn ich zweimal die Woche ins Fitnessstudio gehe, dann sehe ich, wie meine Muskeln stärker und wie die Fettpolster kleiner werden (zumindest habe ich von Leuten gehört, denen es so geht, angeblich). Wie ist das aber mit der Achtsamkeit? Lohnt es sich zu trainieren? Was kann ich davon erwarten? Schließlich mache ich das ja nicht zum Spaß!”

Hier habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.

Die gute zuerst (aus dramaturgischen Gründen, zugegeben): Es gibt eine Reihe von wissenschaftlichen Studien (und ihre Zahl steigt), die wünschenswerte Effekte auf körperlicher und psychologischer Ebene finden. Interessanterweise für alle möglichen Beschwerden, Leiden und Gebrechen: von Hautkrankheiten über chronischen Schmerz, bis hin zu Depression, Stress und Essstörungen. Viele Psychotherapeuten sehen übrigens in der Achtsamkeit einen wichtigen Aspekt in Ihrer Behandlung.

Natürlich gibt es auch eine ganze Reihe von (selbst ernannten) Gurus, Heiligen und anderen Wohltätern, die auf den fahrenden Zug aufspringen (oder behaupten, sie seien der fahrende Zug) und den schnellen Weg zum Glück versprechen.

Damit wären wir auch schon bei der schlechten Nachricht: Glauben Sie nicht den wissenschaftlichen Studien. Glauben Sie auch nicht den Psychotherapeuten. Glauben Sie aber auch nicht den Gurus. Wenn es Sie interessiert, gibt es nur einen Weg: Probieren Sie es selber aus

 

Wenn es Sie interessiert, gibt es nur einen Weg: Probieren Sie es selber aus.

Wenn Sie das Gefühl haben, hey, das könnte was für mich sein, dann gehen Sie fair, nüchtern und rational an die Sache ran: Suchen Sie sich ein geeignetes Programm, z.B. Vipassana Meditation oder Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), schauen Sie, ob das, was dort gemacht und erzählt wird, logisch, plausibel und stimmig ist und dann üben Sie eine Zeit lang diszipliniert.

Sagen Sie nicht – „also Geige spielen ist Quatsch, ich habe es gestern ausprobiert, es hat nicht funktioniert“. Sie müssen dann schon eine Zeit lang, sagen wir zwei bis drei Monate, diszipliniert üben. Dann ziehen Sie selber für sich Bilanz und schauen Sie, ob sich etwas – zum Besseren – verändert hat.

 

Genau das ist Achtsamkeit: selber erfahren, unvoreingenommen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Psychologe Ulrich Ott ist der führende Meditationsforscher in Deutschland. An der Uni Gießen untersucht er, wieso Meditation die seelische Gesundheit fördert. Sein Credo: Wer achtsam ist, stärkt nicht nur sein Immunsystem, sondern hat mehr Spaß am Leben - und kann sogar Sprit sparen

 

 

 

 

Warten? Diese Zeitverschwendung hat Ulrich Ott aus seinem Leben verbannt: "Anstatt mich über unpünktliche Menschen zu ärgern, sage ich mir: Wie schön, dass mir diese Personen Momente der Besinnung ermöglichen, die in meinem Zeitplan gar nicht vorgesehen waren." Reframing nennt Ulrich Ott so etwas, die Dinge aus einer ungewohnten Perspektive betrachten. So ein innerer Positionswechsel mache aus dem grauen Alltag eine Erkundungstour und stimme heiter.

 

 

 

Am Bender Institute of Neuroimaging (Bion) der Universität Gießen erforscht Ott, was während der Meditation im Gehirn passiert. Warum hilft Versenkung bei Angst, Stress oder Schmerzen? Welche Gehirnregionen werden bei mystischen Erfahrungen aktiviert? Kann man solche Bewusstseinsveränderungen überhaupt wissenschaftlich untersuchen? Ja, behauptet Ott: Mystik sei angewandte Neurowissenschaft, ihre Theorien seien bislang nur nicht sauber aufgeschrieben worden. Die Vorgehensweisen von Yogis, Derwischen oder Einsiedlermönchen seien mit jenen westlicher Wissenschaftler durchaus verwandt. Für beide gelte das Prinzip: "Hypothese, Methode, Ergebnisse", denn Mystik basiere nicht auf Glauben, sondern auf Erfahrung

 

 

Unabhängig von der Mystik geht es in der Meditation primär darum, sich auf die unmittelbare Gegenwart zu konzentrieren - und das hat verblüffende Wirkungen: Wer regelmäßig seine Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt bündele, so Ott, verändere langfristig "die Architektur seines Gehirns". Denn jede Tätigkeit setzt bestimmte Bereiche im Gehirn in Gang, und je öfter eine Tätigkeit wiederholt wird, desto stärker wachsen entsprechende Hirnstrukturen. Das menschliche Gehirn ist ein Trainingsorgan, die Aufmerksamkeit sein Werkzeug.

Auch US-Wissenschaftler widmen sich der inneren Versenkung. Sara Lazar, Harvard-Psychologin und US-Pionierin der Meditationsforschung, untersuchte 20 regelmäßig meditierende Probanden und stellte fest, dass ihre Hirnrinde bis zu fünf Prozent dicker ist als die nicht meditierender Vergleichspersonen. Zudem wiesen ihre Hirnareale für Aufmerksamkeit und Sinneswahrnehmungen deutlich mehr neuronale Verschaltungen auf. Am auffälligsten waren diesen Veränderungen bei älteren Meditierenden, woraus Ott schließt, dass "regelmäßiges Meditieren eine Ausdünnung der Hirnrinde im Alter" verhindert.

Seine eigenen Meditationsübungen absolviert Ott am liebsten im Auto. Er wohnt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern am Waldrand eines Vororts von Wiesbaden und pendelt täglich eine Stunde zu seinem Universitätsbüro in Gießen. Diesen Arbeitsweg auf der Autobahn nutzt er für spirituelle Trainingseinheiten; "achtsames Autofahren" nennt er das.

Es beginnt schon mit der Haltung. Sobald er merkt, dass er sich verkrampft, durchwandert er in Gedanken seine Schulterverspannungen und lässt sie los, indem er tief ausatmet. Das verbessere nicht nur die Fahrqualität, er spare so auch Treibstoff, meint Ott: Bei achtsamer, gelassener Fahrweise verbrauche sein Diesel fünf Liter Sprit auf 100 Kilometer. "Wenn ich verbissen rase, komme ich auf 6,5 Liter."

Abends, wenn er nach Hause fährt, stellt er sich manchmal vor, dass er sein Heimatdorf zum ersten Mal besucht. "Mit diesem Anfängergeist schaue ich mich um, als wäre ich in einer fremden Stadt", sagt er. Diese Übung mache innerlich frei und wach, trainiere Aufmerksamkeit und Konzentration und sei zudem sehr unterhaltsam.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn beider Geben oder Nehmen
sich nicht als Einbahnstraßen zeigen,
 
wenn jeder kann auch mal ruhen im Bequemen
und rechts wie links sich Waagen neigen,

wenn auch das Oben oder Unten
steht frei im Wechselspiel der Lust,

wenn ’s Nein wird nicht als Schmach empfunden
und keiner schiebt danach den Frust,

wenn beider Meinung gleichsam wichtig –
was nicht heißt: Zwang zum Kompromiss,

wenn ’s Suchen nach dem Falsch und Richtig
nicht droht am Ende mit Verriss,

dann wird die Liebe, die man spürt,
auf gleicher Augenhöhe gekürt.