Doch sind bipolare (manisch-depressive) oder psychotische Menschen wirklich so viel anders als die "Normalbevölkerung"?
Gefeit gegen eine seelische Erkrankung ist fast niemand. Psychosen und bipolare Störungen treten meist in Lebensphasen auf, die für jeden Menschen belastend oder krisenhaft sind. Das kann der Einstieg ins Berufsleben, die Trennung von Elternhaus oder Partner, der Verlust eines Angehörigen sein.
Von einer direkten genetischen Disposition für psychischen Erkrankungen kann daher nicht gesprochen werden. Es wird zwar
vermutet, dass eine gewisse Sensibilität und Dünnhäutigkeit vererbbar ist, doch das ist noch kein ausreichender Grund zu erkranken, sondern kann sich beispielsweise sogar in Kreativität äußern. Rund 50% aller Menschen tragen, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, ein genetisches Potential in sich,
psychotisch zu werden, doch nur bei 1% ist das tatsächlich der Fall.
Es sind also in erster Linie stark beeindruckende Erlebnisse und Erfahrungen, die eine psychische Erkrankung auslösen. Dabei kommt es zu einer Entgleisung des Hirnstoffwechsels, was zur Folge hat, dass die Betroffenen noch sensibler werden und weitere unangenehme Erlebnisse
oft noch schwerer verkraften.
Um diese Dynamik zu unterbrechen, ist es daher sinnvoll, Medikamente einzusetzen. Aus hirnpsychologischer Sicht reagiert der
Hirnstoffwechsel aber nicht nur auf Psychopharmaka, sondern auch auf Psychotherapie, welche am besten parallel dazu stattfindet. Positive Erlebnisse und Gedanken in der Therapie und im
Alltag prägen neue Spuren im Gehirn und schaffen eine nachhaltige positive Grundstimmung.
Ein Überfluss an Reizen oder Isolation kann jeden Menschen psychotisch machen. Es hängt von der Sensibilität ab, welches Ausmaß an
Ausnahmesituationen ein Mensch ertragen kann, ohne den Anschluss an die Realität zu verlieren.
Psychotische Zustände sind vergleichbar mit Träumen oder der Wahrnehmungswelt eines Kleinkindes. In Träumen äußern sich in ebenso
chaotischer Weise oft unbewusste Wünsche oder Ängste. Kinder im Alter von zwei oder drei Jahren, beziehen alles auf sich, fühlen sich für alles schuldig – ähnliches passiert einem
paranoiden Menschen, nur dass sein Verhalten nicht mehr altersadäquat ist.
Stimmungsschwankungen hat jeder Mensch. Bei bipolaren Menschen sind
diese Hochs und Tiefs sehr ausgeprägt.
Die Depression ist ein Zeichen, dass verborgene Wünsche nicht erfüllt sind, dass die
Leistungsanforderungen zu hoch sind.
In der Manie hingegen werden verborgene Fähigkeiten sichtbar. Wichtig für einen bipolaren Menschen ist es, zu lernen, wie er Ungewöhnliches im Alltag integrieren kann, anstatt es sich immer nur für die Manie aufzuheben.
All das zeigt, dass Psychosen und bipolare Störungen zum Wesen des Menschen selbst
gehören:
Zu zweifeln, zu verzweifeln, über sich hinaus zu denken, sich dabei auch zu verlieren, sind zutiefst
menschliche Potentiale.